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#wirlebenartenvielfalt

Was wir gemeinsam mit dir fordern!

Die freiwillige Haltungskennzeichnung der Bundesregierung für tierische Produkte ist auf ganzer Linie gescheitert. JETZT ist es Zeit, eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung mit nationaler Herkunftsangabe für sämtliche tierischen Produkte einzuführen. Damit Verbraucher:innen endlich eine bewusste Kaufentscheidung für mehr Tierwohl treffen können und die Leistungen der Landwirt:innen für eine artgerechte Haltung ihrer Nutztiere einheitlich im Markt sichtbar sind.

Gemeinsam mit Dir fordern wir die Parteien dazu auf, die Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte in den Koalitionsvertrag aufzunehmen und eine solche Kennzeichnung innerhalb der nächsten Legislaturperiode voranzutreiben und umzusetzen, sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene.

Wir fordern daher eine gesetzlich verpflichtende vierstufige Haltungskennzeichnung, die eine nationale Herkunftsangabe beinhaltet und bei der eine besonders artgemäße Haltung, basierend auf den Grundsätzen des ökologischen Landbaus, eine eigene Stufe hat.

Wie soll die Haltungskennzeichnung aufgebaut sein?

Wir sind überzeugt, dass eine Kennzeichnung von tierischen Produkten dann funktioniert, wenn sie verpflichtend ist. Jede Produktpackung muss zeigen, wie die Tiere für dieses Produkt gehalten wurden. Die erfolgreiche, bei den Verbraucher:innen etablierte Eierkennzeichnung zeigt, dass ein solches Modell funktionieren kann und zur Etablierung höherer Tierwohlstandards durch informierte Einkaufsentscheidungen eine große Wirkung entfalten kann. Eine aufsteigende Kennzeichnung hat den Vorteil eines dynamischen Modells, in dem sich langfristig auch höhere Haltungsstufen etablieren können. Auch der Handel geht bei seinem Siegel diesen Weg und kann deshalb auf seine aktuell beste Stufe 4 in einigen Jahren die Stufe 5 aufsetzen, mit noch höheren Kriterien. 

Stufe 4: Besonders artgemäße Tierhaltung, basierend auf den Grundsätzen des ökologischen Landbaus

Haltungsstufe 4 kennzeichnet die anspruchsvollste Tierhaltung. Die Nutztiere haben sehr viel Platz und regelmäßig Zugang zu Weide oder Auslauf. Die Tiere haben im Gegensatz zu Stufe 3 mehr Platz zur Verfügung. Sie werden im Einklang mit ihren artgemäßen Bedürfnissen und Verhaltensweisen gehalten. Ferkel dürfen beispielsweise in dieser Haltungsform länger bei ihrer Muttersau bleiben. Es gibt keinen vorbeugenden Antibiotikaeinsatz. Zudem dürfen die Tiere nur tiergerecht und hauptsächlich mit betriebseigenem (Öko-) Futter gefüttert werden.

Stufe 3: Zugang zum Freien

In der Haltungsstufe 3 steht den Tieren viel Platz im Stall und tierartspezifisch Auslauf oder Weide zur Verfügung. Beschäftigungsmaterial und eine spezifische Haltungsumwelt fördern das Ausleben arteigener Verhaltensweisen. Hier können Rinder weiden, Schweine haben Zugang zum Auslauf, Hühner und Puten picken und sandbaden. Außerdem steht ihnen ein großer, weich eingestreuter Liegebereich zu, in dem sie unabhängig von Spiel- oder Fresszeiten ihrer Artgenossen ruhen können.

 

Stufe 2: Mehr Platz

In dieser Haltungsstufe dürfen alle Nutztiere, im Vergleich zu Stufe 1, nur nach verbindlichen Kriterien, die über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen, gehalten werden. Die Tiere haben im Stall deutlich mehr Platz und ihnen steht ein weicher Liegeplatz mit Einstreu zur Verfügung, der von einem Aktivitäts- und Kotbereich getrennt ist. 

 

Stufe 1: Gesetzlicher Mindeststandard

Diese Stufe kennzeichnet die niedrigste Haltungsstufe und umfasst die aktuell häufigste Praxis der konventionellen Tierhaltung. In dieser Stufe wird der gesetzliche Standard, flankiert durch ein entsprechendes Ordnungsrecht und Sanktionsregime umgesetzt, d.h. kein pauschales Kupieren der Ringelschwänze (Tierschutzgesetz, Tierhaltungsverordnung je Tierart). Darüber hinaus müssen Standards für die Tierarten entwickelt werden, für die solche Kriterien noch nicht existieren, wie z.B. Puten.

 

Warum wollen wir das?

Die Nutztierhaltung in Deutschland steckt in der Krise. Weder Landwirt:innen, Verbraucher:innen, noch unsere Nutztiere profitieren von der derzeitigen Situation. Eine gesetzlich verpflichtende Haltungskennzeichnung bringt für alle Verbesserungen.
Mehr Transparenz für die Verbraucher:innen

Das Verhalten der Verbraucher:innen hat sich in den letzten Jahren verändert. Der aktuelle Fleischatlas aus dem Jahr 2021 hat gezeigt, dass 75% der Menschen zwischen 15 und 29 Jahren die derzeitigen Haltungsbedingungen in der konventionellen Nutztierhaltung ablehnen[1]. Viele Verbraucher:innen wünschen sich eine klare gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung, die beim Einkaufen Transparenz und die Wahlfreiheit für mehr Tierwohl ermöglicht. Außerdem steht die Tierhaltung auf Grund ihrer Umweltfolgekosten stärker im Fokus der Öffentlichkeit und die Rufe nach nachhaltigeren Formen der Tierhaltung werden lauter. Viele Menschen haben daher ihre Ernährungsweisen hin zu einer pflanzenbasierten Ernährung verändert.

Obwohl Verbraucher:innen sich mehr Tierwohl wünschen, spiegelt sich dies nur teilweise im Einkaufverhalten wider. Die einzige etablierte Kennzeichnung ist die Öko-Zertifizierung mit dem staatlichen Öko-Siegel und den darüberhinausgehenden Siegeln der Öko-Verbände, wie Naturland oder Bioland. Der Anteil von Bio-Fleisch am gesamten Fleischmarkt ist allerdings gering. Damit gibt es für Verbraucher:innen nur sehr geringe Wahlmöglichkeiten und neben dem Öko-Siegel keine Transparenz beim Einkauf von tierischen Produkten. Das etablierte System der Eierkennzeichnung zeigt aber, dass ein Modell, das alle Haltungsformen transparent abbildet, erfolgreich zu Änderungen im Kaufverhalten führt. Jedes sechste Ei, dass 2020 in Deutschland verkauft wurde, war ein Bio-Ei[2]. 

Der Branchenreport des BÖLW zeigt, gerade im Corona-Jahr 2020 hatten Bio-Geflügel und anderes Bio-Fleisch die größten Wachstumsraten und machten einen ordentlichen Sprung nach vorne. Auch die Umsätze für Bio-Wurst, -Eier und -Molkereiprodukte wuchsen um Werte zwischen 15 und 22%. Dies zeigt vor allem auch, dass die Nachfrage nach Tierwohl- und naturverträglichen tierischen Produkten bei den Verbraucher:innen wächst.



[1] Fleischatlas 2021 - Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel (boell.de) (Seite 9)
[2] 07_BÖLW_Branchenreport_2021_BioUmsatz.pdf (boelw.de)

Mehr Tierwohl in den Ställen

Die derzeit dominierenden Haltungssysteme sind sowohl aus ökologischer, ökonomischer und tiergesundheitlicher Sicht problematisch und somit kein Modell für die Zukunft. In Ställen ohne Außenzugang befindet sich meist eine hohe Anzahl an Tieren auf begrenzter Fläche, sodass sie ihre natürlichen Verhaltensweisen nur unzureichend ausleben können. Diese Haltungssysteme bedeuten Stress und vermeidbare Leiden für die Tiere und führen zu Verletzungen (Schwanzbeißen, Federpicken, etc.) untereinander. Außerdem steigt der Einsatz von vorbeugenden Antibiotika, da durch die engen Ställe die Verbreitung von Krankheiten begünstigt wird. Diesen Haltungssystemen mangelt es an Platz und Auslauf, komfortablen Liege- und Ruhebereichen, frischer Luft und ausreichend Licht, Beschäftigungsmaterial sowie geeigneten Gruppengrößen. Das Tierwohl wird den ökonomischen Gegebenheiten untergeordnet und der Preisdruck befeuert den Strukturwandel der Landwirtschaft hin zu immer weniger Betrieben mit vielen Tieren und dem Verlust von kleinen- und mittelständischen Betrieben.

In der Nutztierhaltung muss sich also etwas ändern. Der Öko-Landbau zeigt schon heute, wie tierwohlfreundliche Haltungssysteme in der Breite funktionieren und stellt gewissermaßen das Modell für die Tierhaltung der Zukunft dar. Moderne Ställe, wie sie auch in der ökologischen Tierhaltung genutzt werden, zeichnen sich durch ihre Helligkeit, ein größeres Platzangebot und Bewegungsfreiheit, Auslauf mit Außenklima und komfortablen Liegeflächen aus. Die Ställe sind größtenteils planbefestigt und mit Einstreu ausgestattet.  

Perspektiven für die Landwirt:innen

Vielen Landwirt:innen liegt das Wohl ihrer Tiere sehr am Herzen. Was sie hierfür zusätzlich leisten, wird allerdings derzeit (außer beim Bio-Siegel) am Markt nicht sichtbar gemacht und ihr Engagement für mehr Tierwohl wird nicht entlohnt. Die Anreize für konventionelle Betriebe, Verbesserungen für die Nutztiere in ihren Ställen und Höfen umzusetzen, sind derzeit sehr gering. Ihre Produkte gehen in den Fleischmassen der Großhändelsunternehmen und Discounter unter und die Betriebe müssen sich dem dortigen Preiskampf beugen. Mit einer gesetzlich verpflichtenden Haltungskennzeichnung besteht die Chance, dass Landwirt:innen endlich für ihre Bemühungen entlohnt werden. Zudem entstünde damit auch ein Anreiz für alle tierhaltende Betriebe, noch mehr Tierwohl umzusetzen und somit in eine bessere Kategorie aufzusteigen. Der Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland, hin zu mehr Tierwohl, würde somit unterstützt werden.

Kein Ausweichen auf verarbeitete Fleischprodukte aus niedrigen Haltungsstufen und dem Ausland

Verarbeitete Fleischprodukte machen einen entscheidenden Teil des verkauften Fleisches in Deutschland aus und sind damit im Markt ebenso wichtig wie rohes Fleisch. Ebenso bedeutend sind Molkereiprodukte. Nur wenn alle im Handel erhältlichen tierischen Produkte der gesetzlich verpflichtenden Kennzeichnung unterliegen und eine nationale Herkunftskennzeichnung enthalten, kann Transparenz für Verbraucher:innen beim Einkauf gewährleistet werden und eine echte Lenkungsfunktion hin zu mehr Tierwohl in den Ställen entstehen.

Angelehnt an die Eierkennzeichnung ist auch bei anderen tierischen Produkten eine nationale Herkunftsangabe wichtig und ein entscheidender Teil der Transparenz im Handel. Denn Verbraucher:innen wollen wissen, aus welchem Land ihr Fleisch kommt. Vor allem aber dürfen hohe Haltunganforderungen für Frischfleisch-Produkte aus deutschen Betrieben im Handel nicht durch niedrigere Anforderungen für verarbeitetes oder tiefgefrorenes Fleisch aus anderen Ländern konterkariert werden.

Wo muss die Nutztierhaltung der Zukunft hin?

Das System der „Nutz“Tierhaltung muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Statt sich an möglichst kostengünstigen Produktionsverfahren und dem Exportgeschäft zu orientieren, müssen die Bedürfnisse der Tiere, der Menschen (sowohl der Produzent:innenen als auch Konsumente:innen) und die der Umwelt im Vordergrund stehen. 

Eine Neuausrichtung von Agrarsubventionen nach Tier- und Umweltschutzstandards ist dafür ebenso unerlässlich, wie der Paradigmenwechsel an Universitäten und bei der Aus- und Fortbildung von Landwirt:innen hin zu einer Landwirtschaft, die sich auf regionale Kreisläufe und nachhaltige Wirtschaftsformen wie z.B. den ökologischen Landbau oder andere besonders tier- und umweltfreundlichen Wirtschaftsweisen stützt.

Um mehr Tierwohl zu erreichen, müssen sich in Zukunft Züchtung, Landwirt:innen, Transport, Schlachthöfe und Handel an den folgenden Grundsätzen messen lassen:

Haltung

Die Haltungsbedingungen müssen das Ausleben des arteigenen Verhaltens ermöglichen; dazu gehören das Bewegungs-, Ruhe-, Sozial-, und Nahrungsaufnahme-verhalten (ausreichend Nahrung und Wasser) sowie alle anderen Verhaltensansprüche der jeweiligen Tierart.

So müssen Ställe mit viel Platz, Tageslicht, guter Luft und einem Zugang zur Weide oder einem Auslauf sowie durch eine strukturierte Haltungsumwelt mit getrennten Aktivitäts- und Ruhebereichen ausgestattet sein. Auch muss die Bodenbeschaffenheit von Lauf- und Liegeflächen zu den Bedürfnissen der Tiere passen, damit sie sowohl trittsicher laufen und spielen als auch komfortabel ruhen können.

Transport

Bei Tiertransporten müssen ausreichend Platz und Frischluftzufuhr, entsprechend den Anforderungen der verschiedenen Tierarten, gewährleistet sein. Der Transport von Tieren sollte auf eine Zeit von 4 Stunden und eine Entfernung von 200 km begrenzt sein. Der Transport umfasst sowohl den eigentlichen Transport als auch das Ver- und Entladen aller Tiere und darf eine Zeit von 8 Stunden nicht überschreiten.

Um dies auch zukünftig gewährleisten zu können, müssen die regionalen Schlachthofstrukturen massiv ausgebaut werden. Schlachtung: Ein schonender Umgang mit dem Tier ist zu gewährleisten; Stress sowie jegliche Schmerzen und Leiden sind zu verhindern. Weideschuss und ähnliche Systeme sind anzustreben und auszubauen.

Unversehrtheit

Die Unversehrtheit der Tiere darf nicht systemimmanent gefährdet sein. Eingriffe an Tieren, wie das systematische Zähneschleifen, Enthornen sowie das Schnäbel-, Flügel-, Schwänze- und Ohrenkupieren dürfen nicht stattfinden.

Züchtung

Eine künftige Tierzucht muss Tierwohl, Tiergesundheit und eine entsprechende Produktqualität zusammenbringen. Die für eine nachhaltige Tierhaltung so wichtige Doppelnutzung (Milch und Fleisch, Eier und Fleisch) muss durch eine entsprechende Züchtung vorangetrieben werden.

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