Auf EU-Ebene wird politisch einiges entschieden und vorgegeben, was unser Essen und unsere Umwelt betrifft: sei es die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Zulassung von Pflanzenschutzmitteln oder die Verringerung von Plastikmüll. Ein besonders großer Posten des EU-Haushaltes ist die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP). Mit derzeit fast 400 Milliarden Euro wird Europas Landwirtschaft und Umwelt gestaltet. In der GAP ist festgelegt, welche Bäuerinnen und Bauern unterstützt werden und wie viel für Umwelt- und Klimaschutz getan wird.
Wir sagen: Nicht genug! Alles rund um die GAP, was sie bisher für Artenvielfalt und Ökolandbau (nicht) getan hat und warum es wichtig ist JETZT zu handeln, findest du in unserem FAQ.
Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik - kurz GAP - zählt zu den am stärksten vergemeinschafteten Politikbereichen der EU; zentrale Vorgaben und die damit verbundene Finanzierung von Maßnahmen erfolgen auf EU-Ebene. Kein anderer Wirtschaftsbereich ist in der EU so stark durch EU-Regeln geprägt wie die Landwirtschaft.
Alles fing 1962 mit einem guten Ziel an: Lebensmittel sollten für EU-Bürger:innen erschwinglich sein, gleichzeitig sollte Landwirt:innen ein angemessener Lebensstandard ermöglicht werden. Seit 1992 wurde die GAP mehrmals umgestaltet und neuen Bedingungen angepasst. Allerdings reagierte die Politik nur sehr langsam, beispielsweise auf Probleme wie Überproduktion, Umweltprobleme, Landflucht oder die Globalisierung. Mehr als 50 Jahre nach Einführung der GAP hat sich zweifellos viel für Landwirt:innen verbessert. Doch wir haben auch ein anhaltendes Höfe- und Artensterben zu verzeichnen und nur wenig Unterstützung für Ökolandbau und Artenvielfalt. Hier hätte die GAP früher reagieren müssen, um sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen!
Die Mitgliedsstaaten können innerhalb der EU-Rahmenbedingungen entscheiden, wie die GAP in ihrem Land umgesetzt wird. In Deutschland sind dafür die Bundesländer zuständig.
Die GAP wird alle sieben Jahren reformiert.
Bei der Ausarbeitung ihrer Vorschläge arbeitet die Europäische Kommission mit allen Interessenvertretern zusammen, hauptsächlich im Rahmen ihrer zahlreichen Beratungsgruppen. Im Gesetzgebungsverfahren entscheidet der Rat der Agrarminister:innen der 27 EU-Länder gemeinsam mit dem Europäischen Parlament über die Vorschläge der Kommission.
Die praktische Durchführung der GAP ist Sache der Mitgliedstaaten. Der Rechnungshof der EU spielt eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Ausgaben.
Die derzeitige GAP besteht aus einem Zwei-Säulen-System:
Die Agrarpolitik ist mit derzeit 387 Milliarden Euro über die nächsten sieben Jahre der größte Posten im EU-Haushalt. Pro EU-Bürger:in sind das 124 Euro pro Jahr Steuergeld. Deutschland stehen davon rund 42 Milliarden Euro zu.
Das EU-Agrarbudget wird nach einem bestimmten Schlüssel zunächst auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt. Von dort fließen die Agrarsubventionen an die Betriebe, die einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Die Höhe der Auszahlungssumme errechnet sich dann nach der Betriebsfläche und danach für welche zusätzlichen, freiwilligen Umweltmaßnahmen sich ein Betrieb verpflichtet. Ganz nach dem Motto: wer viel Land bewirtschaftet, bekommt viel Geld. Am Ende landen 80 Prozent der gesamten Gelder bei lediglich 20 Prozent der Betriebe!
In Deutschland bekommen Landwirt:innen von der GAP bisher mindestens 280 Euro Flächenprämie pro bewirtschafteten Hektar. Wer also viel Fläche bewirtschaftet, kann viel Hektarprämie erhalten. Diese Förderung setzt sich aus der Basisprämie, der Greening-Prämie und einer zusätzlichen Zahlung für die ersten 46 Hektar zusammen. Darüber hinaus erhalten Junglandwirt:innen zusätzliche Prämien.
Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beträgt der Anteil an EU-Zahlungen am Einkommen der deutschen Betriebe rund 46 Prozent. Für viele landwirtschaftliche Betriebe wäre ein sofortiger Ausstieg aus der Flächenprämie sehr schwierig. Daher sind ein schrittweiser Ausstieg und stufenweiser Einstieg in ein neues System, das gezielt Umweltleistungen honoriert, wichtig. So hätten Betriebe eine langfristige Planungsgrundlage.
In der laufenden Förderperiode von 2014 bis 2020 wurden 30 Prozent der Direktzahlungsmittel aus der ersten Säule in das so genannte "Greening" gesteckt. Dieses Greening hat drei Komponenten, die zu mehr Umwelt- und Naturschutz beitragen sollten: Ökologische Vorrangflächen, Anbaudiversifizierung und Erhalt von Dauergrünland. Durch die starken Abschwächungen im damaligen Gesetzgebungsprozess im EU-Agrarrat und EU-Parlament und durch eine entsprechend komplizierte, aber inhaltlich weiter abgeschwächte Umsetzung in den Mitgliedstaaten hat das Greening nur sehr wenig positive Verbesserungen für den Erhalt der Biodiversität gebracht. Das Greening ist verpflichtend für alle Betriebe, die Direktzahlungen beantragen und mehr als 15 Hektar Ackerland bewirtschaften. Aufgrund ihrer besonderen Rolle beim Ressourcenschutz gelten Betriebe des Ökolandbaus als "green by definition". Ökobetriebe müssen somit die Greening-Auflagen nicht erfüllen, da sie besondere Leistungen für Arten-, Bodenschutz und sauberes Grundwasser erbringen.
Als "ökologische Vorrangflächen" müssen fünf Prozent der Ackerfläche bereitgestellt werden. Anstatt hierbei nur nicht-produktive Flächen wie Brachen, Randstreifen oder Feldgehölze anzubieten, wurden auch Agrarkulturen wie Leguminosen oder Zwischenfrüchte in den Angebotskatalog aufgenommen. Bis Ende 2017 war auf diesen Flächen sogar der Einsatz von Pestiziden erlaubt, was den "ökologischen Vorrang" auf diesen Flächen ad absurdum führte.
Zahlreiche Studien, wie etwa eine Studie des Umweltbundesamts 2017, belegen, dass das Greening nicht dazu beiträgt, den dramatischen Trend des Artensterbens umzudrehen. Darüber hinaus kritisiert sogar der Europäische Rechnungshof das Greening massiv: Er bemängelte die hohen Kosten bei einer zu geringen Wirkung.
Neben den Greening-Regeln der ersten Säule befindet sich in der zweiten Säule ein Fördertopf namens "Agrarumwelt- und -klimaschutzmaßnahmen", mit dem spezifische Maßnahmen, wie etwa der Ökolandbau, Streuobstwiesen, extensive Weidehaltung, Rücksichtnahme auf Wiesenbrüter und späte Schnittzeitpunkte auf Wiesen oder Fruchtfolgeprogramme finanziert werden können.
Dem Landwirtschaftssektor werden derzeit rund acht Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen zugerechnet. Einschließlich der Emissionen aus Acker- und Grünlandflächen erhöht sich der Anteil auf etwa 11,5 Prozent. Die Emissionen von im Ausland genutzten Flächen, auf denen Futtermittel für den Import nach Deutschland produziert werden, sind in diesen Zahlen nicht enthalten.
Bei den Reformen der EU-Agrarpolitik und mit der Verkündung des Green Deals gewann die Klimakrise zwar in der Politik zunehmend an Bedeutung, dennoch gibt es bei der Förderung von Klimaschutzmaßnahmen große Unterschiede zwischen den EU-Staaten. In vielen Ländern ist das Engagement eher gering.
Die Bundesregierung hat 2017 beschlossen den Ökolandbau bis 2030 auf 20 Prozent der Fläche zu steigern. Die EU strebt mit dem 2020 angekündigten Green Deal 25 Prozent an. Damit das gelingt, müssen mehr GAP-Gelder als bisher zur Förderung des Ökolandbaus genutzt werden. Diese Förderung ist notwendig, damit mehr Höfe auf Öko umstellen und bisherige Bio-Höfe für ihre ökologischen Leistungen besser bezahlt werden. Zusätzlich zur Flächenprämie bekommen Ökobetriebe in Deutschland etwa 250 Euro Öko-Prämie pro Hektar und Jahr aus der zweiten Säule der GAP. Hierbei wird zwischen einer Umstellungsprämie und einer Prämie für die ökologische Bewirtschaftung unterschieden.
Der Ökolandbau stellt die Blaupause für die Landwirtschaft der Zukunft dar. Die Erfahrungen der Ökobäuerinnen und -bauern können der konventionellen Landwirtschaft helfen, Schritt für Schritt umwelt- und klimaschonender zu arbeiten.
Momentan wird in Deutschland auf ca. 10% der landwirtschaftlich genutzen Fläche Ökolandbau betrieben - das sind 1,6 Mio. Hektar. In Europa sind es 7,5% der landwirtschaftlich genutzen Flächen. Um den Ökolandbau und damit eine enkeltaugliche Landwirtschaft zu fördern, haben sich Europa und Deutschland Ziele gesetzt: Europa hat in seinem Green Deal geschrieben, dass 2030 der Anteil von Ökolandbau auf 25% gestiegen sein soll. Deutschland nimmt sich 20% vor.
Die GAP-Gelder müssen dafür genutzt werden, den Ausbau bis 2030 abzusichern. Allein um das 25-Prozent- Ziel der EU zu erreichen wären etwa 906 Millionen Euro notwendig. Zur Finanzierung müssen daher unbedingt beide Säulen herangezogen werden.
Im Juni 2018 hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgelegt. In ihren Vorschlägen hält die EU-Kommission grundsätzlich an der bisherigen GAP-Struktur fest. Sie favorisiert weiterhin eine Aufteilung in eine große erste Säule mit den pro Hektar berechneten Direktzahlungen und der wesentlich schwächer ausgestatteten zweiten Säule.
Neu ist der Vorschlag, von jedem Mitgliedstaat die Erarbeitung und Vorlage eines nationalen Strategieplans für beide Säulen zu verlangen. Die EU-Kommission will viele Festlegungen über Maßnahmen, Kontrolle und Sanktionen nicht mehr auf EU-Ebene im Detail treffen sondern dies den Mitgliedstaaten überlassen. Mit den neuen GAP-Strategieplänen sollen die Mitgliedstaaten neun zentrale Ziele verfolgen. Dafür schlägt die EU-Kommission basierend auf drei allgemeinen Zielen je drei wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele vor.
Die EU-Kommission schlägt zudem eine neue "grüne Architektur" für die GAP vor: Das Greening soll abgeschafft beziehungsweise in die neue Liste an Grundanforderungen ("erweiterte Konditionalität") aufgenommen werden. Weiterhin sind in der zweiten Säule "Agrarumwelt- und -klimamaßnahmen" (AUKM) vorgesehen.
Neu ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, nun auch in der ersten Säule eine gezielte Förderung von umwelt- und klimaschonenden Maßnahmen anzubieten. Dieses neue Förderinstrument trägt den etwas irreführenden Namen Öko-Regelungen (eco-schemes).
Inzwischen haben die EU-Agrarminister:innen und das EU-Parlament ihre jeweiligen Positionen zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission zur GAP-Reform festgelegt.
In seiner Position hat sich das europäische Parlament für eine weitgehende Absenkung der verpflichtenden Umweltstandards innerhalb der Konditionalität ausgesprochen. Das System der Konditionalität umfasst grundlegende Normen und Gesetze im Bezug auf Umwelt, Klimawandel, öffentliche Gesundheit, Tiergesundheit, Pflanzengesundheit und Tierschutz, die eingehalten werden müssen um Direktzahlungen zu erhalten. Bei der wichtigen Frage nach dem Anteil nicht-produktiver Flächen, wie Hecken und Brachen, will das Parlament nicht über die bisherige Regelung im Rahmen des Greenings hinausgehen. Dabei haben Wissenschaftler:innen und selbst die EU-Kommission diese in den vergangenen Jahren, für gescheitert erklärt, da kaum Verbesserungen für die Biodiversität erreicht werden konnten.
Bei freiwilligen Umweltleistungen im Rahmen der Öko-Regelungen (eco-schemes) war das Parlament großzügiger und fordert, dass zukünftig die Mitgliedstaaten mindestens 30 Prozent der ersten Säule für die Öko-Regelungen reservieren müssen. Gleichzeitig sollen die Mitgliedstaaten jedoch für die bisherigen Direktzahlungen mindestens 60 Prozent verwenden. Dadurch ist für Mitgliedsstaaten, die mehr für die Natur tun und die Öko-Regelungen weiter ausbauen möchten, der Weg zu mehr Umweltleistungen versperrt.
Jeder Verweis zum European Green Deal wurde gestrichen. Eine Ausrichtung der GAP an den wichtigen Zielen der Biodiversitätsstrategie (50 Prozent Pestizidreduktion) und der Farm-to-Fork Strategie (25 Prozent Öko-Landbau bis 2030) wird so fast unmöglich.
Die EU-Agrarminister:innen haben in ihrer Position ebenfalls die Konditionalität (verpflichtende Mindeststandards bei der Bewirtschaftung) im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission geschwächt. So sollen die Mitgliedstaaten zukünftig zwischen zwei Optionen wählen können:
Option 2 entspricht der bisherigen Greening-Regelung. Für welche Option sich ein Mitgliedstaat entscheidet, erfolgt im Rahmen der nationalen Ausgestaltung.
Bei der Finanzierung entschieden sich die Minister:innen dafür, dass ein Anteil von nur 20% aus der ersten Säule für die Öko-Regelungen aufgewendet werden soll. Für die Einführung ist eine zweijährige Übergangsphase vorgesehen. Schafft ein Mitgliedstaat es nicht, in der Übergangsfrist die Mittel zweckgebunden für Öko-Regeln auszugeben, werden sie den Direktzahlungen zugeschlagen.
Im nächsten Schritt müssen EU-Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten zusammen mit der Europäischen Kommission im sogenannten Trilog einen Kompromiss finden und abschließend erneut in separaten Abstimmungen den Ergebnissen zustimmen. Noch ist die Reform also nicht gelaufen und noch steht viel auf dem Spiel! Im Idealfall kombinieren die Unterhändler der EU-Institutionen die besten Elemente aus beiden Vorschlägen und erreichen so eine echte Verbesserung. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate ist aber zu befürchten, dass das Gegenteil passieren wird. Klar ist schon jetzt, dass der Kompromiss am Ende nicht in Einklang mit dem Green Deal stehen wird. Die größten Konfliktpunkte zwischen dem EU-Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten liegen in der Ausgestaltung der Konditionalität und der Frage, wie groß der Anteil der Öko-Regelungen an der ersten Säule wird.
Insbesondere die Mitgliedsstaaten wollen die Verhandlungen möglichst schnell abschließen. Ihr Ziel ist es, die wichtigen Punkte zur Grünen Architektur noch dieses Jahr final zu verhandeln und den Trilog im ersten Quartal 2021 abzuschließen. Dabei sollte sich insbesondere die deutsche Ratspräsidentschaft dafür einsetzen, möglichst gute Lösungen für Natur und Landwirtschaft zu erreichen!
Nach einer Einigung auf EU-Ebene sind die Mitgliedsstaaten am Zug. Sie müssen nun ihre nationalen und regionalen Programme entwickeln. Es ist dringend notwendig, damit ernsthaft Klima, Natur und Landwirtschaft zu stärken.
Frieder, Dr. T., (2020)
Ökolandbau in Deutschland: leere Versprechen, fehlende Förderung. Berechnung des Finanzbedarfs zum Erreichen des 25-Prozent-Ziels der EU-Kommission beim Ökologischen Landbau in Deutschland bis 2030 (Kassel)